Wir – der Geschichts-LK der Q2 – besuchten am Donnerstag das Jüdische Kulturelle Viertel in Amsterdam mit dem neu eröffneten National Holocaust Museum und der Hollandse Schouwburg.
(Hier begannen für jüdische Niederländer die Deportationen), aber auch der Portugiesischen Synagoge (noch heute religiöses Zentrum der jüdischen Gemeinde Amsterdam) und dem Jüdischen Museum.
Wir wurden Zeuge der angespannten Atmosphäre, der Feuerwerke und feindlichen Stimmung sowie der massiven Polizeipräsenz vor dem Europa League Spiel Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv, die dann nachher in die bekannten grausamen antisemitischen Vorfälle nach dem Spiel mündete.
Am Samstag haben einige von uns dann an der Gedenkstunde der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zum antisemitischen Pogrom vom 9.11.1938 teilgenommen. Unsere Erfahrungen in Amsterdam haben wir in unserer Rede verarbeitet:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
heute – am 9. November- erinnern wir uns hier an einen den dunkelsten Momente der deutschen Geschichte: die Pogromnacht 1938. Hier in Moers wurde in dieser Nacht die Synagoge entweiht und das Innere zerstört. In ganz Deutschland hatte das nationalsozialistische Regime in dieser Nacht Gewalt gegen Juden organisiert. Viele Juden wurden ermordet, Synagogen und jüdische Friedhofe zerstört und der Beginn der Deportationen eingeläutet. In dieser Nacht schlug die Diskriminierung der Juden in Vertreibung und Holocaust um.
Am heutigen Gedenktag müssen wir uns nicht nur an die Gräueltaten erinnern, die in den Konzentrationslagern verübt wurden. Schon die das Pogrom und die Deportationen waren begleitet von grausamer Gewalt und unermesslichem Leid.
Heute erinnern wir uns daran, wie tief Antisemitismus und Hass eine Gesellschaft durchdringen können, wenn diese nicht aktiv dagegen aufsteht und sie entschlossen bekämpft.
Die Erinnerung an den Holocaust ist heute wichtiger denn je. Denn auch, wenn diese Ereignisse inzwischen weit in der Vergangenheit liegen, ist das Thema brandaktuell.
Wir sehen schockiert, wie Antisemitismus und Hass in Europa wieder aufkommen. Zuletzt vor zwei Tagen in Amsterdam, wo es begleitend zu einem Fußballspiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv zu gewaltsamen Angriffen auf die israelischen Fans kam.
Unser Geschichtskurs war am diesem Donnerstag in Amsterdam. Wir haben dort das National Holocaust Museum, das Jüdische Museum und eine der ältesten Synagogen Europas besucht.
Unsere jüdische Führerin im Museum erzählte uns, wie ihre Eltern die deutsche Besatzung als niederländische Juden nur deshalb überlebt haben, weil sie -anders als Anne Frank- in ihrem Versteck nicht verraten wurden. Mit der Führerin sprachen wir nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über unsere Verantwortung für die Zukunft. Dabei stellte sie uns auch die Frage, ob wir uns für die damaligen Taten schuldig fühlen. Nein, wir fühlen uns nicht schuldig, da waren wir uns einig, denn wir haben keinen Einfluss auf das, was vor der Geburt unserer Großeltern passiert ist.
Aber die Schuld unserer Vorfahren treibt uns heute an für unser Land und die Welt, in der wir heute leben, Verantwortung zu übernehmen.
Es ist heute unsere Aufgabe, die Erinnerung zu erhalten und der Opfer dieser Verbrechen zu gedenken. Doch Gedenken bedeutet viel mehr als nur, sich an das Unrecht zu erinnern.
Es fordert uns heraus, zu handeln und deutlich Stellung zu beziehen
gegen Diskriminierung, gegen Rassismus, gegen Hetze und gegen Hass!!!
Wir dürfen nicht zulassen, dass der Hass, der damals Millionen Menschen das Leben gekostet hat, wieder aufflammt. Es ist unsere Pflicht und Verantwortung dagegen zu kämpfen, ob in der Schule, in unserer Stadt oder bei Fußballspielen.
Wir müssen uns fragen:
Wie können wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass solche Gräueltaten niemals wieder geschehen?
Die Antwort liegt bei uns! Jeder von uns muss sich für eine Gesellschaft des gegenseitigen Respekts, des Friedens und der Achtung der Menschenrechte einsetzen
– nicht nur in unserem eigenen Land, nicht nur in Europa, sondern weltweit.
Wir möchten Ihnen von einem Beispiel erzählen: der Familie Leyser. Die Familie Leyser gehörte zu den ältesten jüdischen Familien hier in Moers. Sie besaßen eine Textilwerkstatt, eine Parfümerie und eine Metzgerei und waren fest in unserer Gesellschaft verwurzelt. Doch das nationalsozialistische Regime zerstörte ihr Leben – wie das Leben aller jüdischen Menschen hier in Moers und in weiten Teilen Europas.
Wir nennen heute ihre Namen, weil sie in den Jahren 1941 und 1942 nach Riga und Theresienstadt deportiert und ermordet wurden. Wir möchten an sie erinnern und haben uns gefragt: Was wäre gewesen, wenn ihre Mitbürger in Moers damals Mitgefühl gezeigt hätten?
Aus dieser Frage entstand ein Projekt, ein Escape Game im Alten Landratsamt. In diesem Spiel geht es darum, einen symbolischen Schlüssel zu finden, um den Zug der Deportation aufzuhalten und zu öffnen – einen Schlüssel als Sinnbild für das Mitgefühl, das damals fehlte.
Elie Wiesel, ein Holocaustüberlebender, sagte: „Gleichgültigkeit ist der Freund des Feindes.“ Auch hier in Moers hat diese Gleichgültigkeit dazu beigetragen, dass die Synagoge zerstört und jüdische Familien ihrer Freiheit und ihres Lebens beraubt wurden.
Wir wünschen uns, dass wir heute und in Zukunft gemeinsam nach dem Schlüssel des Mitgefühls suchen – für eine Welt, in der wir füreinander einstehen.“
Das Gymnasium in den Filder Benden dankt Janne Nies und Kjell Oberneder „für Worte finden“ in oftmals sprachloser Zeit